Die LesBiSchwulen Gottesdienst-Gemeinschaften im deutschsprachigen Raum

2003: ÖKT Berlin

Ein ganz persönlicher Rückblick auf den Kirchentag von Wolfgang:

Während in den Medien der 1. Ökumenische Kirchentag fast ausschließlich über das allgegenwärtige Thema von Ökumene und gemeinsamen Abendmahl rezipiert wurde, vollzog sich fast in aller Stille ein kleines Wunder auf der Agora, dem Markt der Möglichkeiten:
In noch nie dagewesener Vielfalt präsentierte sich lesbisch-schwules Leben in der Kirche!

Infostand ÖKT Berlin 2003Gleich acht Informationsstände von Gruppen aus dem lesbisch-schwulen Umfeld hatte die Kirchentagsleitung zugelassen, einer davon eine Fusion von fünf Lesben-Netzwerken (siehe unten). Ein ermutigendes Zeichen von den Laienorganisationen der Kirchen, und das in einer Zeit, in der der Wind von Seiten der Amtskirchen nach wie vor scharf weht (Berufsverbot für verpartnerte kirchliche Mitarbeiter bei der katholischen Kirche, Ablehnung von Partnerschaftssegnungen in vielen evangelischen Landeskirchen usw.).
Ich habe die Atmosphäre durchgängig als positiv erlebt, die Standbesucher waren durch die Bank aufgeschlossen und interessiert; die befürchteten Störungen durch fundamental-christliche Gruppen blieben weitgehend aus.

Ein paar Tendenzen haben sich in den Gesprächen abgezeichnet:

  • „Das ist ja toll! Ich hatte nicht geahnt, dass es so etwas wie euch überhaupt gibt!“
    Aufgeschlossenheit und Interesse an unserer Arbeit war eine der häufigsten Reaktionen der Standbesucher. Auch die Resonanz auf die Kirchentagsresolution spricht eine deutliche Sprache. Dafür allen Besuchern ein herzliches Dankeschön!
  • „Warum gibt es euch nicht in Berlin oder in Hamburg?“
    Die Frage kam oft, und sie zeigt es klar: das Bedürfnis nach Gottesdienstangeboten ist da, viele Lesben und Schwule und ihre FreundInnen würden gerne an speziellen Gottesdiensten teilnehmen. Vielleicht eine Anregung, selber aktiv zu werden und mit Gleichgesinnten ein Gottesdienstprojekt auf die Beine zu stellen?
    Übrigens: Gerade in Berlin gibt es drei verschiedene Gottesdienstangebote – von der HuK, Kirche positHIV und der Basisgemeinde Queer Christ.
  • „Ein guter Freund von mir ist schwul, aber die Kirche ist ihm sehr wichtig – wie kann ich ihm helfen?“
    Praktische Lebenshilfe anzubieten war zwar nicht der Hauptzweck unseres Info-Standes, aber wenn es nötig war, war natürlich auch für ein Beratungsgespräch Zeit.
    Immer wieder zeigte sich, welche Verletzungen die Kirchen mit ihren rigiden Haltungen bei Lesben und Schwulen auch heute noch auslösen. Und immer wieder wurde auch deutlich: Das beste Mittel dagegen ist Vernetzung, sich mit anderen zu verbünden, nicht bei dem Gefühl stehen zu bleiben, mit den Problemen mit Glaube und Kirche allein zu sein.
  • „Was bedeutet eigentlich ‚queer‘?“
    Manchmal waren es einfach nur kleine Informationen, mit denen wir weiterhelfen mussten. Die „Normalbevölkerung“ kann halt nicht mit jedem Begriff aus der Communitiy etwas anfangen. Immerhin leitete die Neugierde doch hin und wieder ein gutes Gespräch ein, doch generell sollten wir uns auch mal über die Außenwirkung solcher Selbstdarstellung Gedanken machen.
    Ach, übrigens:
    queer (engl.): eigenartig, schräg, schrill – schwul!
     

Kirchentagsresolution

Auf Initiative der Lesbennetzwerke wurden auf der Agora des Ökumenischen Kirchentages Unterschriften für eine Resolution gegen ein Berufsverbot für verpartnerte Lesben und Schwule in der katholischen Kirche gesammelt, u.a. auch am Stand der lesbischwulen Gottesdienstgemeinschaften.
Durch die vereinten Anstrengungen der unterstützenden Agora-Stände wurde die erforderliche Anzahl von 3000 Unterschriften sogar überschritten!
Nach Prüfung durch die Kirchentagsleitung ist der Aufruf damit zu einer offziellen Resolution der Besucherinnen und Besucher des ÖKT geworden!
Dies ist ein großartiges Zeichen der Solidarität der vielen Kirchentagsbesucherinnen und -besucher, die mit ihrer Unterschrift spontan ihre Unzufriedenheit mit der Haltung der katholischen Kirche in dieser Frage zum Ausdruck gebracht haben. Dafür sagen wir allen Unterzeichnern herzlichen Dank!

Hier der Text der Resolution:

Resolution des Ökumenischen Kirchentages Berlin 2003

In fünf evangelischen Landeskirchen werden homosexuelle Lebenspartnerschaften öffentlich gesegnet. Die katholische Kirche dagegen erkennt offiziell zwar eine homosexuelle Veranlagung als gegeben an, sieht aber in jeder gelebten Homosexualität einen sündhaften Akt.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im sozialen Bereich der katholischen Kirche arbeiten und eine Lebenspartnerschaft eingehen wollen, müssen mit einer Kündigung rechnen.
Lesbische Theologinnen, Gemeinde- und Pastoralreferentinnen müssen schon, wenn sie eine Partnerbeziehung eingehen, täglich um ihre berufliche Existenz fürchten. Das Gleiche gilt für schwule Theologen und Referenten. Darum sind sie gezwungen, sich ununterbrochen zu verbergen und zu verbiegen, leben isoliert und in dauerhafter Unwahrhaftigkeit, werden oft krank an Leib und Seele.

Wir fordern:

  • eine neue Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit Homosexualität auf der Basis aktueller Erkenntnisse der Humanwissenschaften.
  • die Anerkennung von verantwortungsvoll gelebter Homosexualität als gottgewollter Form von Sexualität und Ausdruck einer ebensolchen Liebesbeziehung.
  • die volle Zulassung homosexuell lebender Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sozialem und seelsorgerlichem Dienst innerhalb der katholischen Kirche.
  • Die Feier und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bzw. deren Lebenspartnerschaften im Rahmen eines Gottesdienstes bzw. einer Eucharistiefeier.

Ökumenischer Kirchentag Berlin 2003, Resolution Nr. A 302


In guter Nachbarschaft

Auf der Agora des Ökumenischen Kirchentags waren eine Reihe weiterer Gruppen mit lesbisch-schwulen Themen vertreten.
Nicht Konkurrenz, sondern Miteinander in der Vielfalt war das Motto!

Völklinger Kreis e.V. – Bundesverband Gay Manager
www.vk-online.de

MCC – Metropolitan Community Church
www.mcc-hh.de

Fusion:
Uferlos Kölner Bi-Gruppe e.V.
Bisexuelles Netzwerk BiNe e.V. Berlin (Köln)
www.bine.net

HuK – Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V.
www.huk.org

Fusion:
Netzwerk Katholischer Lesben  www.netzwerk-katholischer-lesben.de
Labrystheia Netzwerk (Berlin)  www.labrystheia.de
Lesben in der Kirche (Berlin)
Lesben und Kirche (LUK) – Ökumenische AG (Berlin)  www.lesben-und-kirche.de
Maria und Martha – Netzwerk für Lesben mit Arbeitgeber Kirche (Berlin)  www.maria-und-martha.de
Internet-Netzwerk für christliche Lesben  www.linet-c.eu

Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen  www.befah.de

Zwischenraum  www.zwischenraum.net

Folgende Gruppen legten Informationsmaterial bei uns auf: